
Heute vor 15 Jahren starb der röm.-kath. Moraltheologe Prof. Bernhard Stoeckle OSB. Er lehrte von 1970 bis 1992 an der Universität Freiburg, deren Rektor er von 1977 bis 1983 war. Im Internet findet sich leider sehr wenig Inhalt zu Stoeckle. Der Nachruf der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg vom 16.12.2009 beschreibt seine Vita m.E. gut. Ich nehme diese im Folgenden als Grundlage mit einigen Ergänzungen:
Bernhard Stoeckle wurde am 10. Januar 1927 in München geboren. Er besuchte das Benediktinergymnasium Ettal und nach dessen Aufhebung das Wittelsbachergymnasium in München.. Nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und erfolgreichem Abitur trat er im Kloster Ettal der Ordensgemeinschaft der Benediktiner bei. Während des Zweiten Weltkriegs war er in München als Luftwaffenhelfer eingesetzt, zusammen unter anderem mit Joseph Ratzinger. Am 17. November 1947 legte Bernhard Stoeckle die Profess ab. Am 19. März 1952 empfing er in Ettal die Priesterweihe.
Stoeckle hatte Philosophie in Eichstätt und kath. Theologie an der LMU in München studiert und promovierte 1954 bei R. Egenter zum Dr. theol. Es folgten sechs Jahre Erzieher- und Lehrertätigkeit am Internat der Benediktiner in Ettal. Danach lehrte er vier Jahre Fundamentaltheologie an der Päpstlichen Hochschule Sant Anselmo in Rom.
1961 habilitierte er sich an der Universität Salzburg in Christlicher Philosophie, an der er zunächst als Privatdozent und ab 1967 als außerordentlicher Professor christliche Ethik lehrte. 1970 führte ihn ein Ruf auf den Lehrstuhl für Moraltheologie nach Freiburg. Schon nach fünf Jahren wurde Stoeckle Prorektor und von 1977 bis 1983 war er Rektor der Universität, die er in einer hochschulpolitisch unruhigen Zeit zu leiten hatte.
Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehören neben einer Reihe von Einzeluntersuchungen im Bereich der Theologischen Ethik das 1975 erstmals aufgelegte und in verschiedene Sprachen übersetzte „Wörterbuch christlicher Ethik“, eine unter dem Titel „Handeln aus dem Glauben“ im Jahr 1977 erschienene spezielle Moraltheologie sowie das „Wörterbuch ökologischer Ethik“ von 1985.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen sowie für seine Verdienste um die Freiburger Universität wurde Stoeckle vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit der Ehrendoktorwürde der University of Massachusetts und mit dem Professoren-Titel der Staatsuniversität Curitiba/Brasilien. 1983 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Stoeckle war von 1977 bis 1986 Mitglied der Glaubenskommission der DBK.
Stoeckle war und blieb ein engagierter Seelsorger. Viele Jahre hindurch war er Rektor der Universitätskirche. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1992 kehrte er in seine bayrische Heimat zurück, um sich seelsorgerlichen Aufgaben zu widmen, zunächst als Inselkurat auf Frauenchiemsee (1992 – 2001) und zuletzt in Vachendorf bei Traunstein. Stoeckle verstarb am 15. Dezember 2009. Er wurde im Kreuzgang des Klosters Ettal bestattet.
Persönliche Anmerkung:
Viele Freiburger Theologiestudierende werden sich – wie ich – gerne an ihn erinnern. Gesellschaftlich und ethisch-theologisch waren die 1970er bis 1990er Jahrzehnte überaus spannende Zeiten. Die moraltheologische Rückblende macht klar: Die Debatten um das „Proprium christlicher Ethik“ und die zum Teil scharf geführten Diskussionen zwischen „Glaubensethik“ und „Autonomer Moral“, liegen fünfzig Jahre zurück und wirken eher in Fachkreisen nach. Eine gute Einordnung stellt für mich hier der Text von Prof. Eberhard Schockenhoff dar, der Wege zur Überwindung dieser seines und auch meines Erachtens falsch gestellten Alternative sucht, unter dem Titel: „Die Moraltheologie zwischen Glaubensethik und Autonomer Moral“. (2006, siehe Anm. unten)
Mich haben die Jahre bei Stoeckle, bei dem ich meine Diplomarbeit schrieb, immer nachdrücklicher mit der Ethik verbunden und mit der Notwendigkeit, disziplinübergreifend zu denken und sachliche, vernünftige Argumente zu würdigen und sich nicht zu schnell auf die Offenbarung zu stürzen…
Menschlich beeindruckt hat mich Stoeckles Bescheidenheit und seine wohlwollende für das Fach werbende Art. Mittags ging er nicht essen, vielmehr schwimmen… Er war ein Asket. Seine interessanteste (persönlichste) Vorlesung (in meinen Augen) war die einmal wöchentlich für eine Stunde abends angesetzte Sondervorlesung zur Spiritualität. Sein Wörterbuch der christlichen Ethik durfte/musste ich schon im Reli-Oberstufenkurs kennenlernen ;)
Bei der Vorbereitung des Blogbeitrags stieß ich erneut auf den Titel seiner Antrittsvorlesung: „Unter dem Anspruch der Hoffnung.“ (21.11.1967) Eine eschatologische (!) Grundlegung der Ethik. In seinen Seminaren zum Thema Hoffnung konnte man(n)/frau viel dazu lernen. Eine wichtige „Vokabel“ angesichts der gesellschaftlichen Verwerfungen und Kriege aktuell. Ich habe die Antrittsvorlesung wiedergelesen und hatte dabei im Hinterkopf die Tübinger Antrittsvorlesung Juni 2023 von Prof. Saskia Wendel, ebenfalls zum Thema Hoffnung, auf die Frage zur Zukunft der Theologie: „Auf dass ihr überreich seid in der Hoffnung“ (Röm 15, 13)“
Wenn das nicht spannend ist…
Anm.:
Nachruf der ALU Freiburg und der Theologischen Fakultät (mit einem schönen Foto Stoeckles):
https://web.archive.org/web/20170105124833/http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2009/pm.2009-12-16.432
Wikipedia-Beitrag:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Stoeckle
Saskia Wendel:
https://www.feinschwarz.net/welche-theologie-hat-zukunft/
OVB-online.de
https://www.ovb-online.de/rosenheim/chiemgau/fraueninsel-trauert-bernhard-stoeckle-571050.html
Schockenhoff, E.: Die Moraltheologie zwischen Glaubensethik und Autonomer Moral, in: L' antropologia della teologia morale secondo l'enciclica "Veritatis splendor"
Jahr: 2006, Seiten: 120-143
Antrittsvorlesung gehalten am 21. November 1967 an der Universität Salzburg. Reihe: Salzburger Universitätsreden Heft 32, hrsg. 1968.
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