Martin Korte: Wir sind Gedächtnis. Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind, München (Pantheon-Verlag) 3. Aufl. 2017. - -
In Talksendungen war mir der Professor für Neurobiologie aufgefallen. Mein Eindruck: Umfassend, auch interdisziplinär informiert, immer sachlich und verständlich. Genau so ist auch sein Buch. Ich habe allerdings knapp zwei Monate daran gelesen. Die wissenschaftlich teils sehr genauen hirnanatomischen Ausführungen und Zusammenhänge empfand ich zwischendurch als etwas anstrengend. Bin kein Mediziner…
Doch im Rückblick und Zurückblättern ist hier auf 375 Seiten eine Fülle an „Gedächtnis-Forschung“ wiedergegeben, die wirklich fulminant ist. In neun Kapiteln schreitet Korte hoch interessante Themenfelder ab: Autobiographisches Gedächtnis (1), Gewohnheiten (2), Sprachbilder und assoziatives Lernen (3), Schlafen als „molekularer Hausputz“ (4), Kreativität (5), Digitalisierung und Gedächtnis (6), Traumata (7), Gedächtnisdiebe, bspw. Alzheimer-Demenz (8) und Trainings für bessere Gedächtnis-Agilität (9).
Das Gehirn ist ein Muskel und das Gedächtnis ein Vorgang, kein Ort und schon ja keine Festplatte, habe ich gelernt. In jedem Kapitel stecken m.E. viele für den Alltag äußerst hilfreiche Erkenntnisse. Besonders fasziniert hat mich das Kapitel (5) zur Kreativität mit 13 Strategien zum kreativen Denken (S. 223). Aber auch die teils bedrückenden Beschreibungen zur Demenz lassen aufhorchen (8). Natürlich setzt der Verfasser mit dem letzten Kapitel (9) zur besseren Gedächtnis- und Konzentrationstechnik einen knackigen Schlussakkord, inklusive zehn Geboten des Gedächtniserhalts (S. 365).
Man kann sehr(!) viel lernen und mit den eigenen Erfahrungen abgleichen. Das Buch gehört unters Kopfkissen, wird Eckhart von Hirschhausen auf der Coverrückseite zitiert. Stimmt.
Ich habe es als wohltuend empfunden, dass Martin Korte behutsam argumentiert und nicht die „Hirnforschung-weiß-und-kann-alles-erklären-Keule“ schwingt. Er rezipiert zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und fügt dann (bspw. S. 322) seine Sicht und Einschätzung hinzu. „Allerdings muss man wissen, dass wir im Moment gerade mal in der Lage sind, 1500 Synapsen präzise in einem Netzwerk des Gehirns abzubilden – unser Gehirn hat allen Berechnungen zur Folge aber etwa 15 Trillionen Synapsen…“ (S. 268).
Mit zahlreichen am Seitenrand hervorgehobenen Zitaten, vorrangig aus Literatur und Philosophie, unterstützt Martin Korte das Verstehen und Behalten des von ihm vermittelten Wissens. Bilder und Grafiken ergänzen dies. Insgesamt hat man den Eindruck, dass hier jemand über das Gedächtnis schreibt, dem daran liegt, dass die Erfahrungen auch „ankommen“.
Martin Korte: Wir sind Gedächtnis. Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind, München (Pantheon-Verlag) 3. Aufl. 2017.
Auf Amazon veröffentlicht am 27. Oktober 2021.
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