REZENSION: Jenny Odell - Nichts tun (Verlag C.H.Beck, 2021).
Der Titel „NICHTS TUN“ ist zunächst einmal der Hammer. Er steht so wunderbar quer zu all der Gehetztheit und der Über-Power modernen Daseins. Der Kauf des Buches ist sicher zunächst ein Sehnsuchts-Griff, ein: Genau – das will ich. Raus. Ruhe. Und dahin entführt die Autorin Jenny Odell ihre Leser*innen auch. Behutsam, poetisch, künstlerisch, philosophisch, nachdenklich…
Die Lektüre ist ein (anspruchsvoller) Spaziergang. Odell lässt die Lesenden teilhaben an ihrer subjektiven Sicht der Dinge. Sie setzt ihre Meinung – nicht wissenschaftlich umfänglich, vielmehr als Schriftstellerin und Künstlerin ausschnitthaft, exemplarisch, bunt. Mit wachem Blick für alles, was sie umgibt. Gegen Überstimmulation, Technikwahn, Beschleunigung und süchtig machende digitale Klickköder positioniert sie echte Aufmerksamkeit, Umkehr, Muße, Teil-Rückzug, Ehrfurcht, Innehalten, Bioregionalität, Raum und Zeit.
Auf 280 Seiten legt Odell damit scheinbar aus der Mode gekommene andere Karten auf den Tisch. Philosophische Happen. Vogel- und Rosenmeditationen zur Entschleunigung. Übungen in Aufmerksamkeit. Rückinstandsetzung. Ihr Plädoyer fürs „Nichts-Tun“ ist gleichwohl Aktion, ein politischer Akzent gegen die kalte überbordende Strebe-oder-Stirb-Atmosphäre.
Das Buch war für mich in vielerlei Hinsicht lesenswert, gehaltvoll und überaus anregend. Aber nach der zehnten Einrede gegen die (böse) Aufmerksamkeitsökonomie, hätte ich mir doch etwas fundiertere Kritik gewünscht und nicht nur Gedankenspaziergänge, paraphrasierte Texte, ein Happen hier und ein weiteres (amerikanisches) Stimmungsbild dort. Aber ich möchte diesen wirklich großen Wurf nicht kleinreden. Dieses Buch reißt einen heraus aus dem zerstörend-hektischen Immer-so-weiter-Trott. Ein Lob auch an die Übersetzerin Annabel Zettel.
Auf Amazon veröffentlicht am 21. Mai 2021
zurück zur BLOG-Übersicht