Magnus Striet: Theologie im Zeichen der Corona-Pandemie. Ein Essay, Ostfildern (Grünewald) 2021.
Tiefergehende theologische Entwürfe zur Corona-Pandemie sind noch eher selten zu finden. Der Freiburger Professor für Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie, Magnus Striet, wagt sich mit einem Essay vor. Sein Fokus liegt auf einer menschennahen, die Abgründigkeit des Lebens akzeptierenden Theologie, sowie auf der Theodizeefrage, angesichts eines inzwischen millionenfachen Sterbens durch SARS-CoV-2.
Für mich ist immer wieder beeindruckend, wie passend Striet Lyriker, Literaten, Philosophen und Theologen argumentativ einbringt, um seine Gedankenlinien zu begründen. In diesem Buch vor allem Robert Gernhardt und Giovanni Boccaccio. Wie oben erwähnt, verpackt als Essay. Ohne Anmerkungsapparat. Neben grundsätzlichen (bekannten) Ausführungen gegen Augutinus` Last der Erbsündenlehre, einen willkürlichen Gnadenabsolutismus und die Pastoralmacht der Kirche, finden sich in der ersten Hälfte einige tagesaktuelle Konnotationen gegen „zynische“ und „theologisch absurde“ Negativzeichnungen von Mensch und Gesellschaft.
Im Abarbeiten der Frage nach Seuchen als Geißel, als Strafe Gottes, und mit theologisch-kritischem Blick u.a. auf Martyriumskult und Selbstaufopferungsglorifizierungen, nähert sich Striet immer mehr den Themen: Wo ist Gott? (Wie) ist Gott allmächtig? Greift er sinn- und zweckstiftend invasiv ein? Wie (frei) ist sein Verhältnis zum (freien) Menschen zu denken? Haben hier Bischofsköpfe Sonderwissen? Hilft die allgemeine Menschenvernunft?
So werden die letzten 30 Seiten vor allem philosophisch echt anspruchsvoll (Immanuel Kant lässt grüßen), aber auch, Dietrich Bonhoeffer darlegend, theologisch dicht.
Ich hatte die Ausführungen so nicht erwartet. Striet ringt um die Gottesfrage und bringt diese nachdrücklich ein, mit hohem Respekt vor der Freiheit des Menschen. Dieser Essay ist kein kirchlich-tumbes Solidaritäts-Bla-Bla und kein pastorales Metaphern-Gestrüpp. Hier wird anspruchsvoll gefragt: Wie lässt sich verantwortet Gott denken und von ihm – auch in Pandemie-Zeiten – verantwortet sprechen.
Auf Amazon gepostet am 16. Februar 2021.
zurück zur BLOG-Übersicht