
Mitte 2019 las ich die „Ostermeditationen“ von Prof. Magnus Striet. Sehr beeindruckend. Ich habe sie gerade noch einmal zur Hand genommen. Mir gefällt sein Ansatz, dass die Theologie zu oft und zu schnell beim Osterjubel anlandet. Mit J.B. Metz fordert Striet in seinem Buch „Gottes-Schweigen“ mehr KARSAMSTAGS-CHRISTOLOGIE, mehr das Aushalten des Schmerzes und der Stille nach dem Verlassenheitsschrei Jesu am Kreuz. Er fordert mehr Vorsicht und Zurückhaltung hinsichtlich der vermeintlichen Gewissheiten über Gott, wenn es ihn denn gibt.
In Zeiten von Corona kann einem Gottesgewissheit wahrlich abhandenkommen, wie bei allen Fragen der Theodizee, die Striet mit Nachdruck einfordert, theologisch-denkerisch abzuarbeiten. Wir reden, so sagt er, viel „über Religion, das eigene religiöse Erleben“, „die Gottesfrage aber als Frage nicht nur für mich, sondern als Frage der einen Menschheit, fällt heute weitgehend aus“.
Das sind harte, ungewohnte Aussagen. Und Striets Positionen sind auch bei weitem nicht unumstritten. Ich möchte hier vorsichtig entgegentreten und behaupten, dass die Gottesfrage derzeit, in Pandemiezeiten, radikal auf dem Tisch liegt. Ich glaube, Striet würde mir nicht einmal widersprechen. Kurz vor dem durch Covid-19 völlig anderen Osterfest sehe ich neue spirituelle Gehversuche, wackeliges Digital-Kirche-Sein, zupackendes Helfen aus dem Geist Jesu. Ich nehme anders wahr, dass das Gesamt der Kar- und Osterliturgie in Ritus, Andacht, Feier und Gebet mitsamt aller Volksfrömmigkeit tastend diesen Gott (neu) zu (be)greifen sucht. In Krisenzeiten. Immer im Wissen um den „Abgrund der Unbegreiflichkeit Gottes“, wie Karl Rahner nicht müde wurde, zu betonen. Eine Chance.
Die vergangenen Wochen großen kirchlichen Engagements und hoher zwischenmenschlicher Solidarität lassen aufscheinen, was Christentum bedeuten kann. Und wo Gott vielleicht ist. Und wie wir ihn ertasten können. Erahnen.
In diesen Tagen möchte ich meine Auferweckungssehnsucht und Hoffnung und auch Skepsis nicht verstecken müssen. Und halte es schlussendlich mit Karl Rahner: Wir dürfen es der Verfügung Gottes überlassen, durch welche Ritzen er mit seiner befreienden Liebe in unsere Welt einzudringen vermag.
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