
Walter Homolka / Magnus Striet: Christologie auf dem Prüfstand. Jesus der Jude – Christus der Erlöser, Freiburg (Herder-Verlag) 2019.
Wer fundiert theologisch „nach-denken“ möchte über Jesus, der findet in den hier vorgelegten Beiträgen der zwei Autoren sehr anregende Einordnungen. Homolka, Rabbiner und Professor für jüdische Theologie (Uni Potsdam) erklärt auf 60 Seiten verständlich und zugleich wissenschaftlich eloquent das Jesus-Bild bzw. -Verständnis im Judentum. Die jüdische Leben-Jesu-Forschung wird unter Hinzuziehung prominenter jüdischer Denker vorgetragen und – das ist das spannende – konstruktiv kritisch weitergedacht.
Homolka fragt, warum nach über 200 Jahren christlicher und jüdischer „historischer“ Jesus-Forschung immer noch nicht befriedigend die Bedeutung der Wirkungsgeschichte Jesu als Perspektive ergriffen wird. Ein früher Vertreter dieser Sicht ist für ihn Schalom Ben-Chorin (Bruder Jesus). Homolka beschreibt die „Rückforderung Jesu für das Judentum“, räumt mit dem Mythos vom christlich-jüdischen Abendland auf und geht aktuell auf Veröffentlichungen von Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) ein, vor allem im Hinblick auf die christliche Mission unter Juden.
Mir hat der Beitrag von Homolka sehr gut gefallen. (Gefühlt) nicht ganz so überzeugend, gleichwohl wie immer sehr anregend, lesen sich die Ausführungen (70 Seiten) von Magnus Striet (Prof. Fundamentaltheologie Uni Freiburg). Striet begründet in aller Kürze eine christliche Theologie des Judeseins Jesu. Dabei begibt er sich zurück zum historischen Jesus, macht aber zugleich das neuzeitliche Freiheitsdenken zum normativen Grund seiner theologischen Reflexion.
Wer Striet kennt oder schon öfter gelesen hat, weiß um seine Einlassungen, neu und mit Nachdruck theologische Aufräumarbeit zu leisten, die Dogmatik zu entschlacken und mit bestimmten christlichen Theologietraditionen zu brechen. Auf diese Weise schafft er in seinem Beitrag Freiräume dafür, theologischen Antijudaismus und Antisemitismus klarer zu sehen und zu entlarven. Striet möchte anknüpfen an den ethischen Monotheismus Israels und schlägt da die Brücke zum Judentum. Christliche Überinterpretationen der Person Jesu weist Striet wie immer schroff zurück. Zum Vorschein kommt dann vor allem die Gerechtigkeitspraxis Jesu und ein überzeugendes Ethos Jesu. Das mag manchem genügen. Vielen wird es zuwenig sein. „Soweit historisch bekannt, war Jesus kein Moralpragmatiker, sondern ein Mensch seiner Zeit mit einem klaren Grundsatz, und der lautete: Zuerst der Mensch.“ Mir genügt das und gibt das viel. Ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben.
Rezension auf Amazon veröffentlicht am 13. Februar 2020.
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